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Statt einer Leseprobe des epochablen Romandebuts, hier mal der Anfang einer Geschichte, die in der gleichen Welt sich zugetragen hat, in der auch das Gezeitensieb zum großen Teil spielt. Vielleicht hat jemand eine Idee, wie es weitergehen könnte? Vorschläge werden gerne entgegengenommen und vielleicht in einer fernen Zukunft mit einem Preis geahndet.

 

 

 

 

Nicht von Ungefähr

 

 

 

Nicht von Ungefähr betrachtete sich wieder einmal skeptischen Blickes in dem riesigen blattgoldgerahmten Spiegel im Vestibül des Familienanwesens. ‚Da hätte mich Mama ja auch gleich Wicht nennen können‘, murmelte der junge Mann vor sich hin, und wirklich hätte man ihn nun keinesfalls als hochgewachsen bezeichnen können. Mit knapp 167 Zentimetern Körpermaß war er jedoch keineswegs der Zwerg, als der er sich selbst in diesem Moment wahrnahm. ‘Ach, die väterlichen Gene!’

Seine werte Frau Mutter hatte in jungen Jahren diesen einen, diesen einzigen Fehltritt begangen, der in der Familienchronik dann später einfach zur Gänze übergangen worden war. Niemals wurde in den Annalen der von Ungefährs etwas vom Erzeuger des jungen von Ungefähr erwähnt. Als Nicht das Alter erreicht hatte, das man gemeinhin als Großjährigkeit bezeichnet, dieses Ereignis hatte erst vor knapp einem Jahr stattgefunden, hatte Laurentia von Ungefähr endlich ein Einsehen und berichtete ihrem Spross von dem Mann, der für seine Existenz mitverantwortlich zu machen war. Er konnte sich noch gut, zu gut an diesen Moment erinnern, besonders daran wie klamm ihm doch ums Herz geworden war, als seine Mutter mit ihrer Beichte begann.

Ein Clown, er hatte es anfangs nicht fassen können. Mit einem Zirkusclown war die blutjunge Laurentia damals durchgebrannt, hatte alles hinter sich gelassen und sich diesem zweifelhaften Gaukler-Unternehmen angeschlossen, um die Welt zu bereisen, um sämtliche Städte des Kontinents zu sehen und, ja, und um selbst Hochseilartistin zu werden; ein Genre für welches sie unbedingtes Talent aufweisen konnte, so zumindest ihr Liebhaber. Doch hatte die Liaison nicht allzulange den Stürmen der Zeit standhalten können. In einer kleineren Stadt, gar nicht weit von der Hauptstadt des Kontinents, Weentbehl-Lachapelle, betrog der Clown das adlige Fräulein gleich mit einer, nicht mehr ganz taufrischen Souffleuse des dort ansässigen Stadttheaters. Tja, wo die Liebe eben so mal hinfällt! Manchmal auch einfach in ein Loch in den Brettern, die ja angeblich die Welt bedeuten.

Und diese Welt brach dann auch für Laurentia von Ungefähr zusammen, als sie die beiden in Flagranti im Wohnwagen des Clowns ertappte. Doch ließ es der Stolz der adligen Ex-Jungfer nicht zu, geradewegs nach Hause ins Palais der von Ungefährs zurückzukehren. Wochenlang war sie hochschwanger umhergeirrt, kaum mehr etwas von dem Geld war ihr geblieben, das sie keckerweise aus der Zirkuskasse entwendet hatte. Die Absteigen, in denen sie Unterschlupf fand, waren von Tag zu Tag schäbiger geworden, und schließlich fand sie sich im Pfarrhaus einer Kirchengemeinde wieder, am Rande des Schimmerwalds ganz in der Nähe der Stadt Ilmenau. Sie wusste kaum mehr, wie sie ausgerechnet hierher geraten war. Des Pfarrers Haushälterin kümmerte sich jedoch rührend um das Mädchen, und so gebar sie schließlich einen gesunden, properen Jungen.

Obwohl Laurentia immer noch einen tiefen Groll hegte gegen ihren Verführer, den Clown Zaparello, und dies auch immer so bleiben sollte, dachte sie doch in Augenblicken der Schwäche an den Geliebten mit etwas wie Sehnsucht und Zuneigung, ja sogar mit Liebe zurück. Zurück an die Zeit, die sie später als die schönste ihres Lebens bezeichnen würde; dies tat sie allerdings nur im Stillen, ganz alleine für sich.

Genau dies war der Grund dafür, dass sie den Knaben Nicht nannte, nur weil Giovanni Zaparello einmal scherzhaft behauptet hatte, Nicht von Ungefähr sei doch ein ganz vorzüglicher Name. Das nur zur Verschrobenheit des Humors dieses armseligen Zirkusclowns!

Von diesem Clown, welcher sich als Erzeuger des jungen Nicht von Ungefähr herausgestellt hatte, war jedoch keine Spur zu finden gewesen. Obwohl er dem Vater, den er doch nie erblickt hatte, keinerlei Sympathie entgegenbringen konnte, entschloss sich der Jüngling dennoch, ihn ausfindig zu machen, ein Unterfangen, das sich als gar nicht so einfach herausstellen sollte. Nach monatelangen Recherchen fand Nicht schließlich doch noch eine Spur des großen Zaparello, nur um am Ende an dessen Grab zu stehen. Erst zwei Jahr zuvor hatte es ihn dahingerafft, seine ehemaligen Kollegen im Wanderzirkus Mandelbaum hatten behauptet, Zaparello sei an einem Stück Hummer erstickt, das er in einem Nobelrestaurant in Lachapelle zu sich genommen hatte. Seine Witwe allerdings hatte, nachdem auch diese von Nicht befragt worden war, nur gelästert, es sei dem alten Sack ein dummer Witz im Hals stecken geblieben. Diese Bemerkung versöhnte wiederum Nicht von Ungefähr ein wenig mit seinem verantwortungslosen Erzeuger. Mit diesem keifenden Weib hatte er letztendlich wohl auch kein leichtes Leben gehabt.

Nachdem nun Nicht von Ungefähr ein knappes Jahr mit der Suche nach dem Vater zugebracht hatte, und er seltsamerweise Gefallen gefunden hatte, an dieser Art der Suche nach einem Vermissten, beschloss der junge Mann diese Tätigkeit zu seinem Beruf zu machen. So wurde Nicht von Ungefähr also nicht von ungefähr zum ersten Privatdetektiv des Kontinents.

 

Der Frühling hatte Einzug gehalten in Weentbehl-Lachapelle. Die Luft verlor langsam aber sicher die stechende Kälte, die den ganzen langen Winter über, die Bewohner der Hauptstadt, dazu veranlasst hatte, so lange es irgend ging, sich im Inneren ihrer Häuser aufzuhalten. Erst jetzt Mitte Mai, zog es die Leute wieder hinaus in die Straßen der Stadt, ohne dass man aus beruflichen, oder anderen Gründen hierzu gezwungen war. Die bleichen Gesichter der Weentbehler reckten sich, wie auch die erwachende Pflanzenwelt, den Strahlen der Sonne entgegen, die noch nicht die Kraft besaß, die empfindliche Haut der Menschen zu versengen.

Nicht von Ungefähr hatte beschlossen heute einmal nicht den kürzesten Weg einzuschlagen, der ihn in sein Büro führte, sondern die Scenic Route zu nehmen; so würde der junge Mann zwar eine halbe Stunde länger brauchen, aber das schöne Wetter war ihm diesen Umweg wert.

Eine ganze Weile führte Nichts Weg den Fluß Weent entlang, der in diesem Jahr doch tatsächlich zwei volle Wochen lang mit Eis bedeckt gewesen war, ein Vorkommnis, das sich bei weitem nicht in jedem Winter ereignete. Am Rande des Weges, der an Sonntagen bei schönem Wetter als Promeniermeile herhalten musste, hatten schon vor drei Wochen die ersten Krokanten ihre Blätter aus dem kaum vom Eise befreiten Boden geschoben. Die Pappeln und Buchen, die den Pfad säumten, zeigten schon die ersten Triebe und die Palmkätzchen genossen die ersten Sonnenstrahlen des Tages und schnurrten leise in der leichten, frühlingshaften Brise.

An einer Biegung des Flusses ging Nichts Weg ein wenig fort vom Wasser, bis er zu dem überdachten Stufengang kam, der hinauf in das kleinbürgerliche Stadtviertel führte, in welchem er eine kleine Wohnung über einer Schreinerei als Geschäftsräume angemietet hatte. Er hätte unmöglich ein solches Unternehmen wie es eine Agentur für private Ermittlungen darstellte in dem noblen Quartier ansiedeln können, in dem die von Ungefährs seit Jahrhunderten residierten. Den Terminus ‘Agentur für private Ermittlungen’ übrigens hatte Nicht von Ungefähr höchst persönlich ersonnen, da so ein Geschäftsfeld, wie schon erwähnt, vorher noch garnicht existiert hatte.

Beschwingt und gut aufgelegt erklomm der Detektiv die Stufen, die in sein Büro führten, kaum vor der geschlossenen Tür angekommen, sagte ihm sein Instinkt, dass hier irgendetwas nicht so war, wie am Abend zuvor.

 

 

 

 

Nun, was oder wer erwartet den Helden in seinem, auf 'heruntergekommen' getrimmten, Büro. Etwa die übliche großbusige Blondine? Da bin ich ja mal gespannt!

 

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